Zum Tod des Missionswissenschaftlers Hans-Jürgen Becken
Hans-Jürgen Becken (8. Februar 1926 – 14. Januar 2013) hat im Jahr 1972 die „Theologie der Heilung“ vorgelegt, nach seiner Dissertation im Fach Missionswissenschaft an der Universität Heidelberg bei Hans-Werner Gensichen. Becken war damals Rektor des Theologischen Colleges von Umpumulo in der Nähe von Durban/Südafrika. Später hat er viele Aufsätze und Stellungnahmen zum Thema Krankheit und Heilung vorgelegt. In den 1980er Jahren hat er als Referent bei der Südwest-Deutschen Mission in einem Faltblatt (nach meiner Kenntnis erstmalig) auf die Hexencamps im Norden Ghanas und ihre Problematik hingewiesen. Es handelt sich dabei um Auffanglager für Frauen, die als Hexen verschrien sind und aus ihren Familien vertrieben wurden und werden. Heute ist gelegentlich in den Medien von diesen Lagern die Rede, in denen sich neue soziale Strukturen bilden.
Becken hat sich jahrelang mit den Lehren und Ausdrucksformen der damals aufblühenden Afrikanischen Unabhängigen Kirchen beschäftigt. Diese Bewegung, die zum ersten Mal durch Bengt Sundkler beschrieben worden war (1964), hat Becken im damaligen Natal und Zululand (heute: KwaZulu-Natal) aufgrund seiner Beherrschung der Zulusprache beobachten und erforschen können. Die Unabhängigen Kirchen haben sich bemüht, afrikanisches und christlich-biblisches Denken zu verbinden. Die Menschen waren nicht mehr allein dem Clan verbunden, sondern die Gemeinde wurde zur neuen Familie mit einem Propheten oder einer Prophetin als Oberhaupt. Verhaltensweisen aus dem Zuludenken, die man auch im Alten Testament fand, wurden vielfach übertragen. Taufe und Reinigungsbäder spielten eine große Rolle. Manche Kirchen und Gemeinden waren winzige Zusammenschlüsse, die schnell wieder verschwanden, andere bildeten große Gemeinden von mehr als einer Million Mitgliedern, wie die Zion Christian Church von Lekganyane oder die Kirche von Isaiah Shembe (Ibandla amaNazaretha), deren Schrifttum Becken gemeinsam mit I. Hexham und G. C. Oosthuizen herausgab.
Beckens Verdienst war es, den afrikanischen Begriff von Krankheit und Heilung zu beschreiben und zum christlichen Denken in Beziehung zu setzen. Zu sterben ist für die Zulu ein Prozess körperlichen und sozialen Missbefindens. Insofern ist die Wortbildung ngifile (ich bin gestorben) nicht metaphorisch zu verstehen, sondern wörtlich zu nehmen: „Mir geht es so schlecht, dass ich dem Tod verfallen bin.“ Umgekehrt ist auch Gesundheit kein Zustand, sondern eine Dynamik allgemeinen Wohlbefindens, die dem Segen im Alten Testament vergleichbar ist: Siyaphila (wir leben), „es geht uns gut, alles grünt und blüht“.
Immer wieder hat Becken darauf bestanden, dass das afrikanische Denken dem biblischen Menschenbild näher sei als das Prinzip der Dichotomie von Leib und Seele und der Individualismus westlicher Prägung. Diese Fragestellungen haben auf die Anschauungen von Krankheit und Heilung bei uns eingewirkt und verbreiteten sich nicht zuletzt durch das Deutsche Institut für Ärztliche Mission, das sich schon seit 1964 mit solchen Fragen befasst hatte.
Die Missionswissenschaft hat Hans-Jürgen Becken vieles zu verdanken. Seine Arbeit hat Wissenschaftler über die Grenzen Südafrikas hinaus angeregt. Wir denken mit Dankbarkeit an sein Wirken.
Gabriele Lademann-Priemer, Hamburg