Zum Tod von Erika Bertschinger Eicke alias Uriella
(Letzter Bricht: 7/2009, 270-272) Fünf Tage nach ihrem 90. Geburtstag ist am 25. Februar 2019 das „Volltrancemedium“ und „Sprachrohr Gottes“ Erika Hedwig Bertschinger Eicke im baden-württembergischen Ibach (Landkreis Waldshut) verstorben. Die Gründerin des „Ordens Fiat Lux“ gehörte zu den bekanntesten und schillerndsten Gestalten der neureligiösen Szene. Ihr Hang zur übertriebenen Selbstinszenierung und zahlreiche skurrile Medienauftritte machten sie weithin bekannt. Seit längerem hatte man nichts mehr von ihr gehört. Seit neun Jahren war sie nach Mitteilung ihres Ehemannes „Icordo“ von der Hüfte abwärts gelähmt. Aus der Öffentlichkeit hatte sie sich deshalb völlig zurückgezogen. Auch viele Mitglieder der umstrittenen Gemeinschaft bekamen sie nicht mehr zu sehen.
Der Orden Fiat Lux befand sich seither zunehmend im Verfall. Seine Blütezeit erlebte er in den 1990er Jahren mit Medienauftritten und inszenierten Großveranstaltungen. Hinzu kamen Auftritte von Fiat-Lux-Anhängern im Rahmen von Esoterik-Messen. 1992 wurde die umstrittene Neuoffenbarungsgruppe um Uriella, die sich für eine Reinkarnation von Maria Magdalena hielt, einem Millionenpublikum bekannt. Dafür sorgte die 60-minütige kritische ARD-Reportage „Gesucht wird … Das Sprachrohr Gottes“ von Felix Kuballa und Holger Reile. Vielen ist noch heute jene Filmszene mit Uriella im Gedächtnis, in der sie neben einer Badewanne kniend mit einem Löffel 21 Minuten lang das angeblich heilende Arthrum-Wasser quirlte, das sie anschließend kostenlos als „Heilwasser“ verteilte.
Erika Bertschinger wird am 20. Februar 1929 als Erika Hedwig Gessler in Zürich geboren.1 Sie wächst in einer streng katholischen Familie auf und besucht die Handelsschule, die sie mit dem Abitur (Matur) abschließt. Nach der Schule absolviert sie in Großbritannien eine Ausbildung und erwirbt dort ein Sprachdiplom in Englisch. Danach unterrichtet sie fünf Jahre lang an einer privaten Sprachenschule in Cliftonville. In Paris erwirbt sie zusätzlich ein Sprachdiplom in Französisch. Sie kehrt nach Zürich zurück und besucht die Dolmetscherschule. In den folgenden Jahren arbeitet sie als Übersetzerin und Direktionssekretärin in der Filmbranche in Zürich. Später wechselt sie zur UNO nach Genf. Kurzzeitige Auslandsaufenthalte schließen sich an. In der Folgezeit ist sie für mehrere Firmen tätig. Sie heiratet zum ersten Mal. Nähere Informationen über ihren Ehemann, der vermutlich wenig später eines „unnatürlichen Todes“ stirbt, gibt es nicht. Wohl seit den 1950er Jahren zeigt sich bei Erika Gessler ein zunehmend spirituelles Interesse. So soll sie 1956 in den USA ein „Sprachrohr Gottes“ getroffen haben, das Kundgaben direkt von Gott in Trance empfangen haben soll. Von ihm soll sie die Mitteilung erhalten haben, dass es weltweit insgesamt 33 Sprachrohre gebe und sie später Kundgaben von Gott empfangen werde. Von 1967 bis 1970 ist sie dann Mitglied der Geistigen Loge Zürich. In dieser Zeit ist Beatrice Brunner (1910 – 1983) dort als spiritistisches Medium tätig. In der Geistigen Loge lernt Gessler 1970 ihren späteren Ehemann kennen, den wohlhabenden Industriellen Max Bertschinger (1902 – 1982). Sie hat in dieser Zeit auch Kontakt zur Neuoffenbarungsgruppe „Lichtzentrum Bethanien“ von Frieda Maria Lämmle in Sigriswil am Thunersee. Lämmle soll dort in der „Lichtstätte“ zwischen 1967 und 1985 zahlreiche „Durchgaben“ empfangen haben. Am 20. Februar 1972, ihrem 43. Geburtstag, soll Uriella Jesus erschienen sein, der ihr den Auftrag gegeben habe, als letztes der 33 Sprachrohre Gottes zu wirken.
1971 beginnt sie eine Tätigkeit als Geistheilerin und Lebensberaterin. Mit einem Sturz vom Pferd, zwei Jahre später, stellt sich eigenen Angaben zufolge bei ihr eine übersinnliche Fähigkeit ein: Seither soll sie ein besonderes Instrument zum Empfang göttlicher Botschaften gewesen sein. An Weihnachten 1975 will sie im Lichtzentrum Bethanien ihre erste große Offenbarung von Jesus Christus in Volltrance empfangen haben. Sie führt seither den Namen „Uriella“, abgeleitet vom Engelnamen Uriel. Er stammt aus dem Hebräischen und bedeutet „Licht Gottes“.
1980 gründet sie in Egg bei Zürich den Orden Fiat Lux. Drei Jahre später heiratet sie ihren dritten Ehemann, den ehemaligen katholischen Pfarrer Kurt Warter („Uriello“). Der Theologe beeinflusst und systematisiert maßgeblich das Glaubenssystem des Neuoffenbarungsordens. In den folgenden Jahren kann Fiat Lux rasch expandieren. 1988 verstirbt Warter bei einem Verkehrsunfall. Kurze Zeit später erklärt Uriella den Marketingfachmann Eberhard Eicke, „Icordo“, zu ihrer neuen „Dualseele“ und heiratet ihn.
In den folgenden Jahren kommt es zu zahlreichen Medienauftritten Uriellas. Aber auch die apokalyptischen Botschaften („Gottes Glocken läuten Sturm“) verschaffen Fiat Lux Aufmerksamkeit. In diese Zeit fallen auch zahlreiche Prozesse, in denen sich die Gründerin von Fiat Lux vor Gericht verantworten muss. Ihr werden Verstöße gegen das Heilmittelgesetz und verschiedene Steuerdelikte zur Last gelegt. Ab dem Jahr 2000 geht es mit dem Orden Fiat Lux rasant bergab. Viele verlassen die Gemeinschaft, die wegen der Prozesse zunehmend unter Druck gerät. Zuletzt ist es nur noch eine kleine Schar, die treu zu Uriella hält. Schließlich wird es mit der Krankheit von Erika Bertschinger Eicke ganz still um Fiat Lux.
Die von zahlreichen Medienvertretern begleitete „Abdankung“ fand am 1. März 2019 auf dem katholischen Friedhof in Ibach-Unteribach statt. In einer Pressemitteilung stellte die Erzdiözese Freiburg klar: „Da vor Ort keine Aussegnungs- oder Leichenhalle existiert, sondern auf dem Friedhof allein eine römisch-katholische Kirche steht, in der bis dato alle Toten, gleich welcher Konfession, aufgebahrt wurden, haben die Verantwortlichen der Erzdiözese Freiburg in Rücksprache mit den Verantwortlichen vor Ort bereits 2010 einer Trauerfeier in der örtlichen römisch-katholischen Kirche zugestimmt. Dabei handelt es sich nicht um ein Requiem oder eine Verabschiedungsfeier nach römisch-katholischem Ritus. Die Kirche wird zur Trauerfeier lediglich der Trauergemeinde zur Verfügung gestellt. Die bestehenden Differenzen von Fiat Lux zur römisch-katholischen Kirche bleiben davon unangetastet. Es kann weder von einer Rehabilitierung noch von einem Begräbnis durch die römisch-katholische Kirche gesprochen werden.“
Nach Schätzungen nahmen rund 120 Anhänger von der langjährigen „Ordensmutti“, wie sie intern oft tituliert wurde, Abschied. In der Traueranzeige würdigte ihr Ehemann Eberhard Bertschinger Eicke alias Icordo das Wirken der Verstorbenen: „Uriella hat in dieser Menschheit Pionierspuren und ein Vermächtnis hinterlassen, die alles überdauern werden. Die Erinnerung an ihr beispielhaftes, opferfreudiges und demutvolles Leben bleibt in unseren Herzen eingraviert.“
Beispiellos ist sicherlich auch, inwieweit es Uriella gelungen war, Menschen mit ihren Volltrance-Botschaften, die angeblich vom Heiland oder Mutter Maria stammen sollten, abhängig zu machen. Die Fähigkeit zur Selbstkritik und der Realitätssinn schienen Uriella völlig abhandengekommen zu sein. Die Problematik der Gründerin von Fiat Lux zeigt sich besonders darin, dass das „Volltrance-Medium“ sich selbst zur eigentlichen Botschaft machte. Das hatte und hat erhebliche Folgen und Nebenwirkungen für Menschen, die bereit waren, ihr willenlos zu folgen. Die Anhängerzahl ist in den letzten Jahren stark abgesunken. Ob und inwiefern Fiat Lux überhaupt eine Zukunft hat, ist ungewiss. Die Lücke, die das „Sprachrohr Gottes“ Erika Bertschinger Eicke hinterlässt, ist für den Orden Fiat Lux groß. Uriella selbst hatte sich als letztes „Sprachrohr Gottes“ verstanden. Ein charismatisches Folge-Medium ist damit nicht in Sicht. Diese Lücke wird Ehemann Icordo nicht schließen können. Mit Uriellas Tod dürfte der Orden Fiat Lux bald Geschichte sein.
Matthias Pöhlmann, München
Anmerkungen
- Die folgenden biografischen Angaben beziehen sich auf Recherchen von Rico Bandle: Uriellas Welt, in: Die Weltwoche 37+38 (2014), 28-30, 56-58, sowie auf den Bericht von Georg Otto Schmid: „Heiligste Uriella, wir vermissen dich“, www.relinfo.ch/2019/03/01/heiligste-uriella-wir-vermissen-dich-beobachtungen-an-der-abdankung-von-uriella-am-1-maerz-2019-in-ibach (Abruf: 2.3.2019).