Zum Tod von Rabbi Jizchak Kaduri
Nach zweiwöchiger Krankheit, während der er sein Studium der heiligen Schriften fortführte, verstarb am 28. Januar 2006 im Alter von 104, 106 oder gar 108 Jahren Jizchak Kaduri. Als er in Jerusalem auf dem Mount-Menuchot-Friedhof beigesetzt wurde, sollen weit über 200.000 Menschen an der Beerdigung teilgenommen haben, darunter viele Franzosen.
Kaduri gilt als einer der letzten großen Kabbalisten. Im Irak geboren, erlernte er die Buchbinderei und begann mit dem Kabbala-Studium bei Yosef Chaim (1834-1909). Nachdem er 1923 nach Palästina eingewandert war, wurden die Kabbalisten Ephraim Cohen und Salman Elijahu seine Lehrer. Den Babylonischen Talmud kannte Kaduri auswendig. Schlomo Amar, der oberste sephardische Rabbiner, nannte in seiner Grabrede als letzten Wunsch des Kabbalisten, jeder und jede möge „eine gute Tat“ vollbringen.
Zahlreiche Heilssucher vom einfachen Bürger bis zum Wirtschaftsboss oder Fußballstar pilgerten zu Kaduri, um seinen Rat einzuholen. Hunderttausende erwarben Porträts des Gelehrten oder Amulette. Prinz Charles bekam zur Hochzeit mit Camilla Parker-Bowles einen goldenen Kaduri-Anhänger von der Gattin des damaligen israelischen Außenministers geschenkt. Popstar Madonna oder der frühere US-Präsident Bill Clinton sollen gleichfalls vom Mystiker gesegnete Amulette besitzen.
Bis zuletzt war der greise Kaduri ein Faktor in der israelischen Politik. 2000 trug er maßgeblich dazu bei, die Wahl von Schimon Peres zum Staatspräsidenten zu verhindern. Er förderte mit seinem Segen den damals noch unbekannten heutigen Staatspräsidenten Mosche Katsav. Auch Likud-Chef Benjamin Netanjahu suchte das Gespräch mit ihm. Vermutlich wirkt sich der Einfluss des Kabbalisten auch noch in Zukunft aus. Enge Kaduri-Schüler tradieren, der Rabbi habe ihnen von einer Begegnung mit dem Messias bzw. mit einem Menschen, in dem sich die Seele des Messias manifestiere, erzählt. Kaduri will diesen am 4. November 2003 (nach jüdischem Kalender 9. Cheschwan 5764) getroffen haben. Dieser Mann werde sich nicht selbst als Messias proklamieren, sondern von den Menschen auf den richtigen Platz gebracht werden. Rabbi Kaduri prophezeite, der Messias werde nach dem Ende der Scharon-Regierung auftreten und Jerusalem vor dem Islam und dem Christentum bewahren. Ob Kaduri Recht behält oder nicht, Israel stehen in jedem Fall in religiöser und politischer Hinsicht aufregende Zeiten bevor.
1990 traf Kaduri in New York mit dem Lubavitscher Rabbi Menachem Mendel Schneerson zusammen, der ihm ein Alter von 110 Jahren und die Teilnahme am messianischen Zeitalter verhieß (vgl. zu Schneerson den Beitrag in MD 12/1999, 363-372, bes. 368ff). Schneersons Anhänger werden von manchen Juden als chassidische Sekte eingestuft, da sich um den 1994 verstorbenen Zaddik (Rechtschaffenen) ein intensiver Personenkult entwickelte. An Schneerson orientierte Chassidim brachten beispielsweise in der Frankfurter Synagoge während eines Vortrags ein Bild ihres Idols an, ein bis dahin völlig undenkbarer Vorgang. Ähnliches könnte nun auch mit Kaduri geschehen.
Angelika Koller, München