Adventisten

Zur Lage in den USA

(Letzter Bericht: 4/2004, 147ff) Das Adventecho, die Gemeindezeitschrift der Siebenten-Tags-Adventisten (STA), wendet sich in seiner aktuellen September-Ausgabe der Situation in den USA zu. Unter der Überschrift "Amerika über alles. Wie stehen die amerikanischen Adventisten zu ihrer Regierung?" berichtet Gerhard Padderatz, ein deutscher Adventist, der selbst aus beruflichen Gründen überwiegend in den USA lebt, über innere Widersprüche in den amerikanischen Gemeinden (30f).

Padderatz erinnert daran, dass die adventistische Generalkonferenz oder andere kirchenleitende Stellen traditionell keine Erklärungen zu politischen Fragen herausgeben. Aber dennoch gilt für die Mehrheit der amerikanischen Adventisten, dass sie engagierte Bürger der USA sind: "Zur amerikanischen Gesellschaft gehört eben ein religiös geprägter Patriotismus und Nationalismus." In jeder adventistischen Kirche in den USA hängt die amerikanische Fahne und in den Gemeindeschulen müssen alle Schüler, ebenso wie in den staatlichen Schulen, jeden Morgen vor der Fahne einen gebetsähnlichen Fahneneid ablegen. "Eine kritische Auseinandersetzung mit der Politik der eigenen Regierung findet nicht statt. Sie wäre auch unpatriotisch."

Wie in vielen Familien spielt auch bei den Adventisten das Fernsehen bei der Bildung des politischen Bewusstseins eine besondere Rolle: Das bedeutet "in der Regel patriotische Propaganda statt differenzierter Wahrheit, und Verherrlichung von Waffen und Gewaltkultur. Die eigenen Soldaten sind natürlich die Guten..." Auch die Anti-Terror-Gesetze, die die US-Regierung im Oktober 2001 als Reaktion auf die Terroranschläge erlassen hat (sog. Patriot Act), werden von den Adventisten unterstützt - obwohl manche inzwischen selbst Opfer der Einschränkungen werden. So berichtet Padderatz, dass derzeit in den USA täglich durchschnittlich drei Adventisten gekündigt wird, weil sie sonnabends nicht arbeiten. Auf Rückfrage hat Padderatz uns diese Zahl bestätigt und mitgeteilt: "Jedes Jahr verlieren in den USA derzeit etwa 1.000 Adventisten ihre Jobs wegen des Sabbats." Die offiziellen Kündigungsgründe sind "natürlich nicht religiöser Art" - zumeist werden betriebstechnische Erfordernisse vorgeschoben. Insgesamt scheint die Zahl solcher Jobverluste zu steigen. Allein in den letzten zehn Jahren haben sich die Fälle von religiöser Diskriminierung verdoppelt, die der U.S. Equal Employment Opportunity Commission vorgetragen wurden. Auch Beschwerden von Moslems, Juden und Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften gehen bei dieser Kommission ein.

Trotzdem: Wie fast alle konservativen Christen wählen die meisten US-amerikanischen Adventisten republikanisch - und damit George W. Bush. Die Demokraten stehen in dem Verdacht, "sie seien 'liberal', d.h. gottlos, sozialistisch angehaucht und damit weniger patriotisch. Die 'echten' Amerikaner, die für die christlichen Werte stehen (und für die Sicherung der kapitalistischen Ordnung, des Waffenbesitzes und der Todesstrafe), sind die Republikaner." Dennoch, so Padderatz weiter, glauben auch die amerikanischen Adventisten, dass die USA eines Tages zu einer "dem Papsttum hörigen Macht" werden. "Doch der beharrlich indoktrinierte Patriotismus und die mangelnde Distanz zur eigenen Regierung halten die meisten Adventisten davon ab, dieses Endzeitszenario in seinen Strukturen schon heute zu sehen." Hinzu käme sicher auch, dass sich viele amerikanische Adventisten "nach 160 Jahren Wiederkunftserwartung und einem gewissen persönlichen und nationalen Wohlstand recht bequem eingerichtet haben und nicht mehr ständig gegen den Strom schwimmen möchten". Aber das, so resümiert Padderatz, ist ein Phänomen, das nicht nur amerikanischen Adventisten vertraut ist.

Andreas Fincke