Zweite deutschsprachige Apologetik-Konferenz
(Letzter Bericht: 6/2010, 230) Zum zweiten Mal trafen sich Freunde der mormonischen Apologetik-Vereinigung FAIR zu einer deutschsprachigen Konferenz. Wie schon bei der ersten Konferenz 2009 in Frankfurt (vgl. MD 5/2009, 185f) stieß die Tagung in Offenbach am 26. März 2011 mit ca. 80 Teilnehmern auf eine gute Resonanz; einige Teilnehmer und Referenten waren sogar eigens aus dem Ausland angereist.Die „Foundation for Apologetic Information and Research“ (FAIR; siehe http://deutsch.fairlds.org) wurde 1997 gegründet und ist keine „kirchenamtliche“ Organisation der Mormonen, sondern ein Zusammenschluss interessierter und engagierter Gläubiger. FAIR will „gut dokumentierte Antworten auf ungerechtfertigte Kritik gegen die Lehren, den Glauben und die Glaubenspraxis der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“ (HLT, Mormonen) bieten.Apologetik als Darstellung der Überlegenheit der eigenen Lehre prägte deshalb auch den Vortrag von Gerd Skibbe. Der immerhin schon 80-jährige Referent beeindruckte zwar mit seiner lebendigen Darstellung und seinem hohen Engagement, mit dem er sich durch eine Fülle von Literatur gearbeitet hatte. Sein Anliegen aber stieß auf wenig Resonanz. Nicht nur aus der Sicht des Berichterstatters war seine Argumentation zu stark von einer Anti-Haltung geprägt, die versuchte, die mormonische Gotteslehre als der ursprünglichen christlichen Lehre entsprechend zu erweisen, indem das Konzil von Nizäa und die Trinitätslehre als ein von den Machtinteressen Kaiser Konstantins geleiteter Glaubensabfall dargestellt wurde. Auch aus inhaltlicher Sicht erwies sich dieser Versuch als ein recht fragwürdiges Unterfangen.Dem sich anschließenden Vortrag von Ronan Head lag ein eher traditionelles Verständnis von Apologetik zugrunde, das einzelne Kritikpunkte zu widerlegen suchte. Heads Ausführungen – „Imkerei im Alten Orient und bei den Jarediten“ – zielten auf ein bestimmtes Detail der Kritik, die sich gegen die Historizität der Erzählungen des Buches Mormon richtet, und leisteten historisch-archäologische Grundlagenarbeit für eine mögliche Widerlegung.Eine andere apologetische Herangehensweise zeigten die Beiträge von René Krywult, Daniel C. Peterson und Scott Gordon. Krywult ging in seiner Präsentation zwar von einer Kritik von Werner Thiede an der mormonischen Soteriologie aus (Die „Heiligen der Letzten Tage“ – Christen jenseits der Christenheit, EZW-Texte 161, Berlin 2001), entwickelte dann aber eine mormonische Gnadenlehre in differenzierender Betrachtung und konstruktiver Auseinandersetzung mit katholischen, protestantischen und orthodoxen Ansichten. Sein Vortrag zeigte, wie auch die mormonische Soteriologie um die rechte Balance zwischen der zuvorkommenden Gnade Gottes und der Antwort des Menschen ringt – eine beeindruckende Darbietung zu einem schwierigen theologischen Thema, insbesondere wenn man bedenkt, dass Krywult, wie übrigens die meisten FAIR-Referenten, von seiner Ausbildung her nicht dafür prädestiniert ist: Krywult ist Software-Entwickler!Dagegen hielt mit Daniel Peterson ein ausgewiesener Experte den Eröffnungsvortrag zum „Islam aus mormonischer Sicht“. Der Professor für islamische Studien und Arabisch verband Fachwissen mit eigenen Erfahrungen und kam – angesichts der missionarischen Aktivitäten der Heiligen der Letzten Tage durchaus bemerkenswert – zu dem Fazit, die Zeit für mormonische Mission in islamischen Ländern sei noch nicht reif; vielmehr solle man Dialog und gemeinsame soziale Aktivitäten pflegen. Die – wie auch bei den anderen Vorträgen – recht kurz bemessene Zeit für Nachfragen und Diskussion wurde gerade bei diesem Beitrag intensiv genutzt: Auch in mormonischen Kreisen besteht offensichtlich ein großes Bedürfnis nach kompetenten Informationen über Muslime und den Islam.Dass Apologetik, auch wenn man ein ausgeprägtes missionarisches Anliegen nicht aufgibt, zuallererst als Dialog verstanden werden kann, kam am deutlichsten im Vortrag des FAIR-Präsidenten Scott Gordon zum Ausdruck. Unter Einbeziehung einer eigenen, in den USA durchgeführten Umfrage verdeutlichte er das „mormonische Imageproblem“. Er beklagte, dass sehr viele Menschen Mormonen als nichtchristlich oder gar als gefährliche Sekte wahrnehmen würden, obwohl sie in den USA in Politik und Medien durchaus präsent sind. Deshalb schlug er vor, Mormonen sollten in ihrem Lebensumfeld nicht gleich an „Missionierung“ denken, sondern zuerst einmal das gegenseitige Kennenlernen und Verständnis füreinander fördern, bevor gezielte Informationen zu passender Gelegenheit – z. B. im Gespräch über einen kritischen Medienbericht – weitergegeben werden sollten. Wichtig sei es, sich im Gemeinwesen positiv einzubringen. Es solle darauf geachtet werden, eine Sprache zu verwenden, die auch Nichtmormonen verstehen. Wie eine Wortmeldung zeigte, kann ein solches Missionsverständnis für Mormonen entlastend wirken.Außerdem sprachen bei der Konferenz Johann Wondra über seine Erfahrungen als eine Art Missionskoordinator in den Ostblockstaaten vor der Wende und Peter Wöllauer über die Schwierigkeiten beim Übersetzen von heiligen Schriften wie der Bibel. Insgesamt war also ein bunter Strauß an Themen geboten, die in rascher Abfolge behandelt wurden.Auch wenn die Tagung für nichtmormonische Interessenten offen war, blieben letztendlich die Heiligen der Letzten Tage unter sich. Lag das auch daran, dass die Organisatoren keine „neutrale“ Räumlichkeit fanden und so notgedrungen mit dem Offenbacher Gemeindehaus vorliebnehmen mussten? Oder an den Themen, die teilweise doch recht speziell waren? Die Offenheit, unbefangen mit Menschen anderen Glaubens auch über schwierige Themen ins Gespräch zu treten, war nämlich bei der FAIR-Konferenz durchaus zu spüren. Es bleibt zu hoffen, dass diese Offenheit der Konferenz bis in die Gemeinschaft der Mormonen hineinwirkt.
Martin Hochholzer, Erfurt