Zwischen Heidenspaß und Heidenlärm. „Pagan Fire“ - ein neues Musikmagazin
Zeitschriftenläden sind interessante Orte für die Wahrnehmung von Veränderungsprozessen in der religiösen Gegenwartskultur. Der religiöse und weltanschauliche Pluralismus ist dort mit Händen zu greifen. Im gut sortierten Handel lässt sich vieles entdecken und als Lesestoff kaufen: Atheistisches, Esoterisches, Ufologisches, Astrologisches, Wellness-Orientiertes und sogar ausgefallene Themen wie Mystery und Geheimwissen. Die Zielgruppen sind sehr unterschiedlich. Zum Teil können einzelne Esoterik-Periodika in dem ohnehin umkämpften Marktsegment nach wie vor beträchtliche Auflagenzahlen erzielen. Selbst in Publikumszeitschriften wie „Fliege“ des TV-Pfarrers Jürgen Fliege wird esoterischen Themen und Offerten längst ein Stammplatz eingeräumt!
Durchaus lohnenswert erweist sich in weltanschaulicher Perspektive hin und wieder ein Blick in die Abteilung der Jugend- und Musikzeitschriften. Seit kurzem wird dort die zweite Ausgabe von „Pagan Fire“ (dt. Heidenfeuer) angeboten. Erschienen ist es als „Legacy-Sonderheft“ im „Devil Presseverlag“ in Saarbrücken. Die Zeitschrift „Legacy“ berichtet eigenen Angaben zufolge über „die neuesten Trends aus Musik, Film und Lifestyle von der dunklen Seite des Lebens“ und erzielt eine Auflage von 23000 Stück.
Das nun vorliegende Sonderheft zum Preis von 6,50 Euro bietet zahlreiche Informationen rund um das Thema Pagan Metal. Pagan Metal, ein musikalisches Subgenre des Heavy-Metal, widmet sich mythologischen Themen aus vorchristlicher Zeit, besonders der Götter- und Sagenwelt der Kelten und Germanen. Eng verwandt mit dieser Musikrichtung ist der aus Skandinavien kommende „Viking Metal“, der sich besonders mit der Mythologie der Wikinger befasst. Beide Musikstile ähneln sich und sind von außen oft kaum voneinander zu unterscheiden.
Die neueste Ausgabe von „Pagan Fire“ enthält neben CD-Tipps, Berichten über die verschiedenen Musiker und Bands auch Vorab-Konzertberichte wie z. B. über das alljährliche Ragnarök-Festival im oberfränkischen Lichtenfels, das dort am 17./18. April 2009 mit rund 25 Bands, darunter „Heidevolk“ und „Tyr“, stattfinden wird. Nach Mitteilung der Veranstalter werde man rechtsextremes Gedankengut dort keinesfalls dulden. Das neue Heft „Pagan Fire“ (die erste Ausgabe erschien 2007) bietet wiederum eine kostenlose CD mit Titeln von Bands wie Yggdrasil, Irminsul, Black Messiah oder Obscurity („Nach Asgard wir reiten“).
Schon beim ersten Durchblättern des Heftes wird deutlich: Viele der Musiker tragen mittelalterliche Kleidung, lassen sich mit Kettenhemd und Schwert ablichten, bevorzugen die Mythologie und bedienen sich mitunter verschiedener Versatzstücke des neugermanischen Heidentums, um sich selbst besser in Szene setzen zu können. Andere hingegen sind inzwischen selbst Teil der Neuheiden-Szene geworden und kolportieren dezidiert antichristliche Ressentiments. Symptomatisch dafür ist die Auffassung des norwegischen Schlagzeugers Kvitrafn von der Band „Wardruna“ (www.wardruna.com). Im Interview bekennt der Musiker und leidenschaftliche Anhänger der Runenmythologie: „Das kulturelle und spirituelle Erbe erzeugt einen starken Widerhall in mir, und ich verspüre den unbändigen Wunsch, dem alten Wissen aufs Neue zum Wachstum zu verhelfen. Wissen, das von jenen, die uns mit ihrer Priesterherrschaft eine spirituelle Plage brachten, verfälscht, unterdrückt, verbannt und verzerrt wurde. Inspiration ziehe ich aus meinem Inneren, der Natur sowie alten Instrumenten und der Musik anderer indigener Kulturen“ (S. 100).
Es ist inzwischen zur gängigen Mode geworden, das alte Wissen, eine angeblich bessere, durch Naturnähe und echte Spiritualität geprägte neuheidnische Weltsicht zu beschwören, um sich damit besser von einem vermeintlich repressiven, rein dogmatischen und aufgezwungenen Christentum abgrenzen zu können. Vorrangig sieht sich der Norweger als Botschafter seines neuheidnischen Anliegens: „Die Musik spricht eine sehr einfache und ehrliche Sprache, die meinem Eindruck nach viele Leute anspricht. Die Rückmeldungen deuten darauf hin, dass die Musik und das Konzept dahinter eine Leere ausfüllen, welche dringend eines Inhalts bedarf – was meiner ursprünglichen Idee entspricht.“
Das Beispiel der jüngsten Ausgabe von „Pagan Fire“ zeigt, wie sich die Dispersion neuheidnischer Auffassungen zunehmend in jugendliche Musikszenen hinein vollzieht. Die Musik wird dabei zum entscheidenden Transportmittel. Von nicht zu unterschätzender Bedeutung im Blick auf die wirkungsvolle Verbreitung solcher Einstellungen sind nicht zuletzt Szenemagazine, die mit kommerziellem Spürsinn und daher weitgehend unkritisch diese Entwicklung effektvoll flankieren.
Matthias Pöhlmann