Sondergemeinschaften/Sekten

„Zwölf Stämme“-Gemeinschaft erstattet Strafanzeige

(Letzter Bericht: 11/2013, 428f) Nachdem Eltern der christlich-religiösen Gemeinschaft „Die Zwölf Stämme“ im Herbst vergangenen Jahres vorläufig das Sorgerecht entzogen worden war, spitzt sich der Streit zwischen der Glaubensgemeinschaft und den Behörden zu. Eine strafrechtliche Verfolgung war mangels Indizien eingestellt worden, jetzt laufen familiengerichtliche Verfahren vor den zuständigen Gerichten in Ansbach und Nördlingen weiter. Dabei soll geklärt werden, ob die Eltern „erziehungstauglich“ sind und das volle Sorgerecht behalten dürfen.

Ein halbes Jahr, nachdem 40 Kinder aus den Wohnungen der Glaubensgemeinschaft von Jugendamt und Polizei mitgenommen wurden, haben einige Eltern nun im März 2014 Strafanzeigen und Dienstaufsichtsbeschwerden eingereicht. Sie werfen den Behörden Freiheitsberaubung, Nötigung, Hausfriedensbruch und Verletzung des Briefgeheimnisses vor. Nach Angaben der Familien wurden etliche Zwangsmaßnahmen ohne rechtliche Grundlage durchgeführt, deshalb fordern sie, die zuständigen Mitarbeiter des Jugendamtes zu suspendieren.

Die Lage ist verworren: Laut Medienberichten wurden von den mitgenommenen 40 Kindern elf noch am selben Tag zurückgebracht, weil sie nicht in den Landkreisen gemeldet waren. 29 Jungen und Mädchen wurden in Obhut genommen, 21 von ihnen befinden sich bis heute unter staatlicher Aufsicht, die anderen acht sind inzwischen wieder bei ihren Eltern. Der Fall macht die heikle Gratwanderung zwischen der staatlichen Fürsorgepflicht für das Kindeswohl und dem Bestimmungsrecht der Eltern in Bezug auf die religiöse Erziehung ihrer Kinder deutlich.

Ganz unabhängig von der juristischen Beurteilung hat nun das europäische Verzeichnis von 430 alternativen und spirituellen Gemeinschaften „Eurotopia“ die Selbstdarstellung dieser Gruppe in ihrem Verzeichnis gelöscht. Die Herausgeber hatten mit Mitgliedern der Gruppe Kontakt aufgenommen und waren zu der Überzeugung gelangt, dass dort Kinder tatsächlich gezüchtigt werden. Diese Haltung widerspreche dem Grundethos gemeinschaftlichen Lebens – die Ausübung von Gewalt gegen andere Gemeinschaftsmitglieder sei absolut inakzeptabel.


Michael Utsch